Eingetragen am 25.10.2014

Demonstrationen in Bamberg

Ausgangssituation am Bahnhof mit zwei Kundgebungen
Ausgangssituation am Bahnhof

Das Thema „Flüchtlinge“ beschäftigt derzeit das BRK im ganzen Land – in der Regel geht es dabei um Fragen der Unterbringung und Versorgung von Menschen, die vor Krieg und Not aus ihrer Heimat fliehen mussten. Ganz anders war es heute in Bamberg: Ein selbsternanntes Bündnis „Bamberg wehrt sich gegen Asylmissbrauch“ hatte eine Demonstration angemeldet. Um ein Zeichen zu setzen, dass Bamberg sich nicht gegen Asylbewerber, sondern gegen rechtspopulistische Tendenzen wehrt, hatte ein sog. Bürgerbündnis (Parteien, Kirchen, verschiedene Initiativen und Gruppierungen) zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Unter Strich bedeutet das: Jede Menge Risiken und Sicherheitsprobleme – und da kommen wir wieder mit ins Spiel.

Arbeitsplatz des Einsatzführungsdienstes im Kommandowagen
Arbeitsplatz des Einsatzführungsdienstes

Seitens des BRK wurde im Vorfeld entschieden, mit kleiner Mannschaftsstärke in der Stadt Präsenz zu zeigen und gleichzeitig einen erhöhten Kräfteansatz in der Hinterhand zu behalten. So wurden im Stadtgebiet primär unsere SEG Transport sowie ein Rettungswagen des Rettungsdienstes zur Absicherung eingesetzt. An der Rettungszentrale am Paradiesweg war Personal des Rettungsdienstes in Bereitschaft, um ggf. kurzfristig zusätzliche Rettungsmittel besetzen und in den Einsatz bringen zu können. Unsere Bereitschaft war ebenfalls in erhöhter Alarmbereitschaft. Weiterhin fungierten zwei Zugführer unserer Bereitschaft im Stadtgebiet als Einsatzführungsdienst und waren damit nicht nur für den BRK-Einsatz verantwortlich, sondern standen auch als Ansprechpartner für die Polizei, die Leitstelle Bamberg und die ebenefalsl in Voralarm versetzte „Sanitätseinsatzleitung“ zur Verfügung, die bei einem größeren Schadensereignis alle Einsatzkräfte des Sanitäts- und Rettungsdienstes führt.

Taktischer Leiter Volker Demant
Taktischer Leiter Volker Demant

Unser Einsatz beginnt um 11.00 Uhr morgens, heute sind wir zu acht. Zunächst kommen unsere SEG und der Führungsdienst am Bahnhof zum Einsatz, wo erste Absprachen mit Polizeiführer und Ordnungsamt getroffen werden. Die Lage ist durchaus angespannt: Die Stadt und das Ordnungsamt haben beiden politischen Lagern genehmigt, ihre Kundgebungen in unmittelbarer Nähe zueinander abzuhalten. So stehen ca. 180 rechtsgerichtete Demonstranten mehr als 5-mal so vielen Gegendemonstranten vis-a-vis auf den beiden Seiten der Luitpoldstraße am Bahnhof gegenüber. Das besonnene aber auch konsequente Vorgehen der Polizei und des Polizeiführers führt hier – genauso wie den gesamten Tag über – dazu, dass beide Lager ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen können, es aber nicht zu Grenzüberschreitungen und gewalttätigen Übergriffen kommt.

Noch vor Abmarsch der beiden Demonstrationszüge müssen wir zwei Patientinnen versorgen, die kollabiert sind. Für eine der Frauen rufen wir Rettungswagen und Notarzt dazu, da sie sich im Unterzucker befindet. Dann schließen die Notfallkrankenwagen der SEG Transport am Ende der beiden Demonstrationszüge an und sichern die Teilnehmer sowie die Polizei sanitätsdienstlich ab. Der Einsatzführungsdienst wechselt nach Absprachen mit der Polzei zum Ort der Schlusskundgebungen am Markusplatz.

Polizeiabsperrung zur Trennung der beiden Lager
Polizeiabsperrung

Auch dort sorgt die Polizei dafür, dass beide Lager voneinander getrennt bleiben. Es kommt zu einigen Situationen, in denen Gegendemonstranten versuchen, auf die Route der rechtsgerichteten Demonstration zu kommen, was die Polizei unterbinden kann. Wir versorgen auch hier wieder Patienten – ohne Ansehen ihrer politischen Ausrichtung oder ihrer Zugehörigkeit zu einer der Gruppierungen, so wie es unsere Rotkreuz-Grundsätze vorsehen.

Nach Ende der Kundgebungen beginnt eine Art „Katz-und-Maus“-Spiel zwischen Polizei und linken Gegendemonstranten. Diese wollen den zum Bahnhof zurückmarschierenden rechten Demonstranten den Weg abschneiden und versuchen immer wieder in kleinen Gruppen vorzudringen. Die Polizei handelt konsequent und sorgt dafür, dass es nicht zu Ausschreitungen kommt.

Lageskizze Markusplatz
Lageskizze Markusplatz

Auch wir merken, dass sich das Klima aufheizt und wir „instrumentalisiert“ werden sollen: Zurück am Bahnhof spricht uns ein aufgeregter junger Mann an, es gäbe einen Verletzten. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass die Polizei einen linken Demonstranten in Gewahrsam genommen hat; der junge Mann behauptet nun, dass der Verhaftete „zusammengeschlagen“ werden soll und hofft, dass wir dies später bezeugen würden. Um uns nicht dem Vorwurf der Parteilichkeit auszusetzen, kontrolliert ein Team die Lage – siehe da, es handelt sich lediglich um eine Personalienfeststellung; der junge Mann ist bereits wieder entlassen. Solche Meldungen ereilen uns immer wieder – hier heißt es ruhig bleiben und sich auf unsere Neutralität besinnen.

Kurz vor 16 Uhr kehrt dann Ruhe ein: Die meisten rechten Demonstranten haben Bamberg wieder verlassen, die Gegendemonstranten zerstreuen sich und wir können uns ebenfalls auf den Weg zur Unterkunft machen. Auch das Personal des Rettungsdienstes, das zusätzlich in Bereitschaft gestanden hatte, kann nach Hause. Die positive Bilanz: Es ist nichts ernstes passiert – ein Verdienst der umsichtigen Polizeistrategie.

Gegendemonstranten
Gegendemonstranten

Als Rotkreuzhelfer ist es unsere Pflicht, bei solchen Demonstrationen unabhängig von unserer eigenen politischen Einstellung neutral und unparteilich zu bleiben. Nur so können wir unseren Auftrag erfüllen, Menschen in Not zu helfen. Dennoch dürften wir anmerken, dass das BRK in der Flüchtlingsfrage eindeutig auf der Seite derjenigen steht, die aus Not und Angst um ihr Leben zu uns kommen. Wir sorgen derzeit in ganz Bayern für eine menschenwürdige Unterbringung dieser Menschen und für die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse. Die Sorge um Menschen, die von Krieg und bewaffneten Konflikten betroffen sind, war vor über 150 Jahren der Anlass zur Gründung des Roten Kreuzes und die Parteinahme für diese Menschen ist auch heute noch unaufhebbar Kern von Rotkreuzarbeit – aus Liebe zum Menschen!