Eingetragen am 08.05.2017

Gedanken zum 8. Mai

Heute ist ein weltweiter Feier- und Gedenktag. Am 8. Mai 1945 schwiegen nach sechs Jahren und 55 Millionen Toten des zweiten Weltkrieges endlich die Waffen. Die Welt wurde von einer der schlimmsten Geiseln ihrer Geschichte befreit

Angesichts dieser Feierstunde erscheint es fast nebensächlich an einen anderen 8. Mai zu erinnern, genauer an den 8. Mai des Jahres 1828. Wir feiern heute den 189 Geburtstag von Henry Dunant (1828–1910); dem Begründer der Rot Kreuz Bewegung.

Der 8. Mai ist für das Rote Kreuz in zweierlei Hinsicht ein wichtiger Termin, beide Daten sind eng miteinander verknüpft: Wir wollen am Weltrotkreuztag bewusst zum Ausdruck bringen, dass die Ideen und Überzeugungen unseres Begründers Henry Dunant auch heute noch leben und Ausblick in eine bessere Welt sind!

Darauf zu hoffen ist manchmal schwer. Die Umstände der Feierlichkeiten zum Kriegsende auf dem Parkett der politischen Weltbühne sprechen eine andere Sprache: Mittlerweile ist es wichtiger, wer mit wem diesen Tag feiert, oder eben demsonstrativ nicht feiert. Zwietracht in der Völkergemeinschaft. Die offiziellen Feierlichkeiten – das Gedenken an gemeinsames Leid – sind ein Instrument zur Äußerung politischer Standpunkte geworden. Das Gedenken an die Toten tritt in den Hintergrund.

Gerade für uns als Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes ist dieser Tag neben der Freude umso mehr auch ein nachdenklicher Tag. Da wir uns heute unter anderem als politisch neutrale Organisation verstehen, wissen wir doch, dass wir vom Deutschen Roten Kreuz das nicht immer waren – gerade an diesem Tag spüren wir die historische Last.

Das DRK und der Nationalsozialismus

DRK unter dem Hakenkreuz
Das DRK unter dem Hakenkreuz

Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichkanzler ernannt wurde, passte sich die damalige DRK – Führung den neuen Umständen schnell an. Man fürchtete um die Existenz der Organisation und gab einen wesentlichen Teil des geistigen Fundamentes des Roten Kreuzes, den Grundsatz der Neutralität, dafür auf.

Ab 1937 unterstand das DRK der SS und war unter anderem direkt daran beteiligt, das Internationale Rote Kreuz (IKRK) systematisch über die wahren Zustände in Konzentrationslagern wie Theresienstadt zu täuschen. Auch war das DRK bereit, günstige Millionenkredite an die SS zu vergeben. Der „Reichsarzt SS“, Ernst-Robert Grawitz, war einer der Hauptverantwortlichen bei der Ermordung von psychisch kranken Menschen, zudem an medizinischen Versuchen an KZ-Häftlingen beteiligt. Zur gleichen Zeit amtierte er als von Hitler eingesetzter, geschäftsführender Präsident des DRK.

Einen unermüdlichen Dienst leistete das DRK als Sanitätstruppe im Ostkrieg, in der Heimat waren es vorwiegend die Schwesternschaften, die den Opfern des Bombenkrieges Hilfe leisteten. An der unmittelbaren Frontlinie riskierten viele dieser Frauen ihr Leben, auch Kameradinnen aus Bamberg. Nach Kriegende waren es auch die Schwesternschaften, die einen wesentlichen Anteil an der Reorganisation des DRK trugen.

Der ebenfalls bekannte Suchdienst des DRK zur Auffindung von vermissten oder gefallenen Soldaten ordnete sich aber dem politischen Willen unter: Um die militärischen Misserfolge im so genannten Russlandfeldzug ab dem Jahr 1941 zu kaschieren, wurden Informationen über den Verbleib von deutschen Soldaten in den russischen Kriegsgefangenenlagern systematisch zurückgehalten.

Auf der anderen Seite wurde das DRK während der NS-Zeit nicht gänzlich gleichgeschaltet. Als unabhängige Wohlfahrtsorganisation blieb es existent und behielt – soweit man davon unter den gegebenen politischen Umständen sprechen kann – deutlich mehr Eigenständigkeit als viele andere Verbände. Die meisten wurden kurzerhand aufgelöst. Als der der Sozialdemokratie nahestehende Arbeitersamariterbund (ASB) aufgelöst wurde, übernahm das DRK dessen Besitz und Vermögen.

Verbandpäckchen
Verbandpäckchen

Auch wenn das DRK für viele Menschen vielleicht als hoffnungsvolle Nische innerhalb des NS-Systems bestehen blieb, darf das mit verantwortete Leid damit nicht aufgewogen werden. In den Jahren 1933-45 war das DRK keine Wohlfahrtsorganisation.

Humanitäre Ideale zur Wahrung aller Menschenleben unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, Rasse usw. hatten ihre Gültigkeit verloren.

Notwendige Maßnahmen zum Erhalt der Organisation und offensichtliches Zuarbeiten für das NS- Regime sind oft nicht trennbar und in vielen Fällen letzteres eindeutig!

Ob es überhaupt richtig war, innerhalb des menschenverachtenden nationalsozialistischen Systems überleben zu wollen, ist eine schwierige Frage. Der unter den Eindrücken der NS-Zeit wirkende Philosoph Theodor W. Adorno hätte das mit seinem bekannten Satz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ sicher verneint.

Auch ist die Rolle des IKRK in diesem Punkt bisher kaum von Historikern beleuchtet worden: Was wusste man in Genf tatsächlich über die Konzentrationslager, was wurde unternommen, um das Deutsche Rote Kreuz in seinem eigentlichen Auftrag zu unterstützen?

War die Annäherung an das NS-Regime „nur“ ein falscher Schachzug in schwierigen Zeiten? Wohl kaum. Der Ausschluss jüdischer Mitglieder aus dem Deutschen Roten Kreuz erfolgte bereits vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten.

Das Rote Kreuz war mit seinen aus allen Teilen der Gesellschaft stammenden Mitgliedern ein Spiegel der Gesellschaft. Schon die nationalistischen Umtriebe der von Anfang an zum Scheitern verurteilten Weimarer Republik lieferten spätestens ab 1930 dann auch den politischen Nährboden für die darauf folgende NS-Zeit, auch beim DRK.

Mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 wurde nicht nur für Deutschland, sondern auch für das Deutsche Rote Kreuz ein fataler Irrweg beendet. Wir sind allen, die dies ermöglicht haben, immer noch zum Dank verpflichtet.

(Wer sich weiter mit der Rolle des DRK im Dritten Reich beschäftigen möchte, dem sei die wissenschaftliche Publikation „Das Deutsche Rote Kreuz unter der NS-Diktatur 1933-1945“ von Birgitt Morgenbrod und Stephanie Merkenich neben weiteren Titeln empfohlen)

Weltrotkreuztag

Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung bilden zusammen die größte humanitäre Organisation der Welt. Das Rote Kreuz ist in 189 Ländern durch nationale Organisationen vertreten. Zurück geht das auf den Ideengeber Henry Dunant, Schweizer Geschäftsmann aus gut situierten Verhältnissen und Träger des Friedensnobelpreises.

Im Jahre 1859 führte Dunants Weg als Geschäftsreisender am 24. Juni an dem italienischen Städtchen Solferino vorbei. Hier fand vor kurzem eine Schlacht zwischen österreichischen und französischen Truppen im Zuge des zweiten italienischen Unabhängikeitskrieges statt. Auf dem Schlachtfeld lagen 40.000 verwundete und sterbende Soldaten; allein, ihrem Schicksal überlassen. Niemand half.

Verbandpäckchen
Henry Dunant, um 1860

Der stark christlich geprägte Henry Dunant konnte angesichts des tausendfachen Leides nicht anders, brach seine Reise ab und organisierte mit Einwohnern der Region die Versorgung der Soldaten. Es fehlte an allem. Nahrung, Verbandszeug, Medikamente, Wasser, Fachpersonal. Derartige „Einsätze“ waren im Gegensatz zu heute nicht vorbereitet.

Ohne Ansehen der jeweiligen Nationalität der Soldaten half Dunant jedem der Hilfe brauchte. Durch seinen Apell an die Menschlichkeit, konnte er die französische Generalität davon überzeugen, die Freilassung von während der Schlacht gefangen genommenen österreischischem Sanitätspersonal zu arangieren und in den provisorischen Lazaretten einzusetzen.

Es gelang Dunant und seinen vielen unbekannten Helfern, vorwiegend Frauen der Region, unter dem immer noch gültigen Leitspruch „Tutti fratelli“ (ital. Alle sind Brüder) das Leben von vermutlich tausenden Menschen zu retten.

Die Grausamkeit der Schlacht von Solferino und die Hilflosigkeit der Verwundeten veranlassten Henry Dunant zur Gründung des Roten Kreuzes und führten zur Vereinbarung der Genfer Konvention von 1864.

Tief geprägt von den dortigen Eindrücken hielt Dunant seine Erlebnisse in dem Buch „Eine Erinnerung an Solferino“ fest. Noch heute ist das Buch Quelle unserer Überzeugung und Grundlage unseres Handelns.

Die Entstehungsgeschichte des Roten Kreuzes gibt es auch als Comic zum nachlesen.

Helfer des Roten Kreuzes zu sein ist nicht nur ein Hobby; es ist eine Berufung. Jeden Tag. Wir finden tägliche Erfüllung in der Tatsache, dass unser Können und unsere humanitäre Überzeugung zu mehr Frieden und weniger Leid in dieser Welt beitragen.

Am heutigen Weltrotkreuztag 2017 denken wir an unseren Vater Henry Dunant und an die während der NS-Zeit von uns im Stich gelassenen Menschen.